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Infusionstherapie bei Alzheimer-Demenz

Dr. med. Anton Gietl, Stv. Chefarzt und Leiter Zentrum für Alterspsychiatrische Versorgung, und<br>Dr. med. Sonja Kagerer, Leiterin Zentrum für Dementielle Erkrankungen und Altersgesundheit

Dr. med. Anton Gietl, Stv. Chefarzt und Leiter Zentrum für Alterspsychiatrische Versorgung, und
Dr. med. Sonja Kagerer, Leiterin Zentrum für Dementielle Erkrankungen und Altersgesundheit

Das Jahr 2023 war ein wegweisendes Jahr für die Alzheimerforschung und die zukünftige Therapie der Erkrankung: Mit «Lecanemab» erhielt erstmalig seit «Memantin» im Jahr 2002 wieder eine Substanz die reguläre Bewilligung der amerikanischen Zulassungsbehörde, nachdem sich in einer grossangelegten Studie gezeigt hatte, dass sich mit «Lecanemab» der kognitive Abbau bei Patientinnen und Patienten mit Alzheimer-Demenz verzögern lässt (Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease | NEJM). Eine weitere Studie konnte ein ähnliches Resultat durch eine andere Substanz, «Donanemab», ausweisen (Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer Disease: The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial | Dementia and Cognitive Impairment | JAMA | JAMA Network). Beide Substanzen stellen einen Antikörper gegen ein Eiweissteilchen (Aβ-Peptid) dar, das im Gehirn schädliche Aggregate bildet, und reduzieren verlässlich das Ausmass der sogenannten Beta-Amyloid-Pathologie im Gehirn, die als eine der treibenden Kräfte hinter der Alzheimer Krankheit anerkannt ist.

Neue Hoffnung

Lecanemab wird alle zwei und Donanemab alle vier Wochen intravenös verabreicht. In beiden Studien wurde insgesamt über 18 Monate der Verlauf gegenüber Placebo untersucht, danach erhielten alle Teilnehmenden die Möglichkeit, von der wirkungsvollen Substanz zu profitieren und die Placebo-Kontrolle wurde aufgegeben. Auf einer Skala zur klinischen Demenzeinstufung lag die Verzögerung des Abbaus durch die Gabe der Substanz in beiden Studien grob gerundet bei ungefähr 30 %. Kritische Stimmen sehen diesen Effekt als gering an, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Substanzen auch bedeutende Nebenwirkungen haben können. Problematisch ist, dass noch keine Daten zum Langzeiteffekt jenseits der 18 Monate dauernden Studien ersichtlich sind. Bliebe der Effekt konstant oder würde er mit der Zeit gar noch an Bedeutung gewinnen, könnten die Substanzen den Verlauf der Krankheit sehr günstig beeinflussen.

Das Ziel der weiteren Forschung wird es sein herauszufinden, welche Patientinnen und Patienten besonders von den Substanzen profitieren und welche ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen haben. In der Klinik für Alterspsychiatrie gehen wir davon aus, dass das Interesse bei den Betroffenen anlässlich einer möglichen Zulassung der Substanz in der Schweiz gross sein wird. Für Grossbritannien wurde geschätzt, dass ca. 30’200 Menschen pro Jahr für eine solche Therapie in Frage kommen (Estimating demand for potential disease-modifying therapies for Alzheimer's disease in the UK | The British Journal of Psychiatry | Cambridge Core). Bricht man diese Zahlen auf die Schweiz herunter, würde dies 3’600 Patientinnen und Patienten pro Jahr bedeuten.

Zulassung der Infusionstherapie erwartet

In den USA liegen die reinen Substanzkosten für «Leqembi» (Lecanemab) bei USD 26’500 pro Patient pro Jahr. Hinzu kommen die Kosten für die spezialisierten Ärztinnen und Ärzte, mehrfache MRIs, um Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen, sowie die Kosten für die Durchführung und Überwachung der zweiwöchigen Infusionen. Wann eine solche Zulassung erfolgt und wann die finanziellen Aspekte geregelt sind, kann derzeit nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden. Es wird jedoch angenommen, dass bis Anfang/Mitte 2025 zumindest die Zulassung erfolgen könnte. Eine solche würde voraussichtlich den Bedarf nach Frühdiagnostik zur Identifikation geeigneter Patientinnen und Patienten stark ansteigen lassen. Bis Mitte 2024 werden verschiedene Konzepte zur Umsetzung der neuen Therapien in der Klinik für Alterspsychiatrie entworfen und anschliessend der Geschäftsleitung vorgestellt. Dies mit dem Ziel, die neuen Therapien auch so zeitnah wie möglich nach der Zulassung anbieten zu können.

Sorgsame Anwendung des neuen Therapieangebots

Die Umsetzungsstrategie der Klinik für Alterspsychiatrie berücksichtigt hierbei insbesondere die nachfolgenden Aspekte: Es ist klinisch und ethisch sehr wichtig, dass – solange keine anderen Daten vorliegen – tatsächlich nur solche Patientinnen und Patienten die Substanz erhalten, für die die Zulassung ergehen wird. Das werden gemäss den Zulassungsanträgen und Studienergebnissen aller Voraussicht nach Patientinnen und Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz und solche mit leichten kognitiven Störungen aufgrund der Alzheimer-Krankheit sein. Selbst unter einer solch strengen Indikationsstellung für die Therapie bestehen möglicherweise noch relevante Unterschiede zwischen den Patientinnen und Patienten in den Studien und den effektiven Sprechstundenpatienten beispielsweise bei den Nebendiagnosen oder im Zusammenhang mit weiteren Medikamenten. Welchen Einfluss dies auf die Therapie haben kann, muss im Einzelfall kritisch beurteilt und im Grossen sorgsam beobachtet werden.

Um geeignete Patientinnen und Patienten zu identifizieren und kompetent zu beraten, braucht es daher Expertenwissen. Die Klinik für Alterspsychiatrie ist mit Dr. med. Sonja Kagerer und Dr. med. Anton Gietl sehr gut aufgestellt: Beide verfügen über ausgewiesene Expertise im Bereich der Biomarker-unterstützten Diagnostik der Alzheimer-Krankheit. Dr. med. Sonja Kagerer bringt zusätzlich fachärztlich neurologisches Wissen ein. Dr. med. Anton Gietl hat als Studienarzt jahrelange Erfahrung in der Anwendung solcher Substanzen und wurde als ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet bereits von verschiedenen Schweizer Universitäten und Kliniken eingeladen, Vorträge zur Thematik zu halten.

Komplettiert wird das Team von Dr. med. Antje Saake, die ebenfalls langjährige Expertise sowohl in der Demenzdiagnostik als auch als Studienärztin aufweist, Gabriela Latour als Fachtitelträgerin Neuropsychologie, und vom Pflegeteam des Zentrums für Dementielle Erkrankungen und Altersgesundheit unter der übergeordneten Leitung von Anna Kuhle. Diesem Team wird bei Einführung der Therapie die verantwortungsvolle Aufgabe zukommen, die geeigneten Patientinnen und Patienten zu identifizieren, aber auch jene sachgerecht und einfühlsam zu beraten, die sich nicht für das potentielle Angebot eignen, aber unter Umständen grosse Hoffnungen in die Therapie gesetzt haben.

Um einen reibungslosen Ablauf der Therapie und ein fachgerechtes Management der Nebenwirkungen zu gewährleisten, müssen die detaillierten Prozesse noch etabliert werden. Ebenso bedarf es der Entwicklung von Trainings für Mitarbeitende, die ebenfalls in diesem Rahmen eingesetzt werden. Neue Forschungsergebnisse müssen ständig monitorisiert werden sowie neue Erkenntnisse zu Sicherheit und Verträglichkeit unmittelbar in die klinische Praxis einfliessen. Die Klinik für Alterspsychiatrie ist im Wissen um die Schwierigkeiten und kritischen Aspekte der zukunftsgerichteten Therapie bereit, dieses innovative Angebot einzuführen.

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