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20 Jahre FaGe EFZ-Ausbildung

«Herr Grütli, möged Sie mit mir töggele?» fragt die Lernende Fachfrau Gesundheit (FaGe) im zweiten Lehrjahr. «Ja!» antwortet mit fixierendem Blick der an einer Psychose leidende junge Mann. Alltagsgestaltung mit Patientinnen und Patienten ist eine der 37 Handlungskompetenzen im Bildungsplan der FaGe-Ausbildung. Was nach lockerem Zeitvertreib aussieht, verlangt von der Lernenden einerseits eine sorgfältige Steuerung der eigenen Emotionen und offenbart andererseits, wieviel Freude oder Frust die Patientin oder der Patient beim Spiel zeigt. Welche Gefühle erlebt Herr Grütli und wann ist es angezeigt, darauf zu reagieren, weil seine lauten Kommentare auszuufern drohen? Ist seine Ausdauer heute ähnlich wie gestern oder verhält er sich aufgrund der neu verordneten Medikamente entspannter und mag daher länger mitspielen? Sind seine geäusserten Gedanken weniger perseverierend? «Ich ha dich mega gern!» sagt dann ganz unerwartet Herr Grütli. Angemessene Distanz wieder herstellen, ohne ihn schroff zurück zu weisen, ist jetzt gefordert. Im Verlaufsbericht gilt es danach sachlich und prägnant die wesentlichen Beobachtungen festzuhalten.

Patrick Lenzin, Bildungsverantwortlicher Pflege, Kompetenzzentrum Bildung

Patrick Lenzin, Bildungsverantwortlicher Pflege, Kompetenzzentrum Bildung

Ressourcenförderung und Milieugestaltung im Fokus

«Tanzen Sie mit mir?» fragt der FaGe im ersten Lehrjahr. «Ja, gerne!» antwortet die unruhige demente ältere Frau. Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit EFZ sind vom stationären Alltag der Akutpsychiatrie kaum mehr wegzudenken. Insbesondere in der Gerontopsychiatrie schätzen die Patientinnen und Patienten die ehrliche Aufmerksamkeit, die freundlichen Gespräche und das motivierende Lächeln dieser jungen Menschen. Nicht die Problemlösung und das Leiden, sondern vielmehr die Ressourcenförderung und Milieugestaltung stehen im Fokus dieser Fachpersonen. Jemand, der sich gerne Zeit nimmt für einen Spaziergang, eine Partie UNO spielt oder beim Zimmeraufräumen unterstützt. Im Pflegeteam und im Stationsalltag bringen sie sich aktiv in den Pflegeprozess ein und führen kompetent medizinaltechnische Handlungen aus. Sie gewährleisten ebenfalls, dass die Essensbestellungen korrekt ausgeführt, genügend Wäsche bestellt und eingeräumt wie auch die allgemeine Ordnung auf der Station und in den Patientenzimmern immer wieder neu hergestellt wird. Sie unterstützen in Krisensituationen und bei Intensivbegleitungen und meistern engagiert anspruchsvolle Gruppensituationen im Sozialtraining oder auf einem Spaziergang.

Eine bewährte Ausbildung

2003 startete die Bildungsbeauftragte Barbara Bischoff Frei nach neun Monaten Projekt-Vorbereitungszeit den ersten Ausbildungsgang Fachangestellte Gesundheit mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich mit fünf jungen Menschen. Das Berufsbild war sehr breit angelegt und vielfältige Einsatzbereiche denkbar. Der Einsatz im Berufsbereich Pflege war nur einer von vielen verschiedenen Optionen. Bis 2008 war an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ein Praktikum von je zwei Monaten in der Küche, Wäscherei und Reinigung Bestandteil der Ausbildung. Heute dauern diese Schnittstellenpraktika nur noch einen Tag.

Es fehlte nicht an vielfältiger Skepsis gegenüber dem neuen Beruf. Befürchtet wurden eine Abwertung der Pflegearbeit und der Einsatz von inkompetenten Mitarbeitenden als billige Arbeitskräfte. Besondere Angst löste das junge Alter der Lernenden bei vielen Fachpersonen aus. Was hat ein 14- oder 15-jähriger Jugendlicher in der Pflege zu suchen? Diese jungen Menschen würden Schaden erleiden und masslos überfordert oder gar ausgenutzt werden, so der Tenor. Innert Kürze wurde FaGe EFZ jedoch zum schweizweit am dritthäufigsten gewählten Beruf, dieses Jahr allerdings leider nur noch an achter Stelle. Die Nachfrage zeigte sich mit bis zu zehnmal mehr eingehenden Bewerbungen, als Lernende angestellt werden konnten. Inzwischen haben über 200 Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis ihre Ausbildung erfolgreich an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich abgeschlossen und annähernd 100 % beurteilen im jährlichen Benchmark den Ausbildungsort als empfehlenswert.

Über 180 Stunden betriebsinterne Schulungen

Da die Ausbildung in der Psychiatrie von Anfang an möglich war, jedoch in den Ausbildungsinhalten kaum gewichtet wird, zeigte sich bald schon der dringende Bedarf an zusätzlichen betriebsinternen Schulungen. Die Bildungsverordnung gab der Berufsfachschule und den überbetrieblichen Kursen lediglich 10 % psychiatrische Inhalte am gesamten Unterrichtsstoff vor. Es zeigte sich bald: Um als Lernende in der akutpsychiatrischen Praxis von Anfang an eine aktive Rolle einnehmen zu können, benötigten die Auszubildenden zusätzliches handlungsbezogenes Wissen, kommunikative Befähigungen und ausgeprägte Reflexionsfähigkeiten. Inzwischen erhalten sie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich über die ganze Ausbildung verteilt zusätzlich über 180 Stunden betriebsinterne Schulungen.

Die Bildungsverordnung wird von der OdASanté regelmässig überprüft und den Anforderungen der Praxis angepasst. Die erste Überarbeitung erfolgte 2009 und festigte den Schwerpunkt der Ausbildung in den Pflege- und Betreuungsaufgaben. Zudem änderte sich die Berufsbezeichnung von Fachangestellte zu Fachfrau / Fachmann Gesundheit. Mit der Bildungsverordnung von 2017 wurden insbesondere die medizialtechnischen Verrichtungen und die Reflexionskompetenz stärker gewichtet. Die nächste Überarbeitung der Bildungsverordnung steht an und die erste Vernehmlassungsrunde wurde bereits eingegeben.

Ende Juli 2023 schloss der Kurs 2020-23 mit 20 ausgebildeten Fachfrauen und Fachmännern Gesundheit EFZ ab, von denen einige der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich als Mitarbeitende erhalten bleiben und andere nahtlos eine weitere Ausbildung im Gesundheitsbereich in Angriff nehmen.

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