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Alarmzeichen frühzeitig erkennen

Auch ganz junge Kinder können psychische Probleme entwickeln. Wenn sie keine Hilfe erhalten, droht sich die Krise zur psychischen Krankheit auszuwachsen. Die neue Sprechstunde «Ambulatorium Frühe Kindheit 0-5» berät besorgte Eltern sowie deren Kinder und bietet, wo nötig, eine Behandlung an.

Das Team Ambulatorium Frühe Kindheit 0-5 (v.l.n.r.): Marina Zulauf Logoz, Chefärztin Maurizia Franscini, Florian Kraemer, Michal Teichman-Golberg, Rita Grolimund und Alina van Steenhoven

Das Team Ambulatorium Frühe Kindheit 0-5 (v.l.n.r.): Marina Zulauf Logoz, Chefärztin Maurizia Franscini, Florian Kraemer, Michal Teichman-Golberg, Rita Grolimund und Alina van Steenhoven

Anfang 2023 erweiterte die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ihr Angebot mit einer neuen Sprechstunde für Säuglinge, Kleinkinder und Vorschulkinder. «Wir hatten nicht mit so vielen Anmeldungen gerechnet», sagt Marina Zulauf Logoz, Psychologin und Expertin für den Altersbereich frühe Kindheit und Co-Leiterin der Sprechstunde, «zumal die Versorgung der jüngsten Kinder, zum Beispiel durch die Mütter- und Väterberatung in Zürich, sehr gut funktioniert». Die Psychologinnen Rita Grolimund und Michal Teichman-Golberg verstärkten entsprechend im Frühjahr das Team und so können die vielen Anmeldungen bewältigt werden.

Diagnostik, Beratung und evidenzbasierte Therapie

Wieso melden Eltern ihre so jungen Kinder überhaupt in der Kinderpsychiatrie an? Können so kleine Kinder schon psychische Störungen entwickeln? «Durchaus», bestätigt Florian Kraemer, Oberarzt und Co-Leiter der neuen Sprechstunde. «Durch heutige Kenntnisse über die Entstehung psychischer Störungen im jungen Kindesalter können entsprechende Frühzeichen oder Risikofaktoren identifiziert und durch Beratungen oder Therapien kann früher als noch vor Jahren interveniert werden.» Zudem könnten Interaktionsstörungen zwischen Kindern und Eltern besser erkannt und mit zum Teil nur wenig Aufwand behandelt werden. «Bei einigen Familien braucht es gar nicht viel, damit Eltern oder andere Betreuungspersonen ihre Strategien modifizieren», sagt Florian Kraemer. Oberstes Ziel sei es, junge Eltern in ihrer Elternrolle zu stärken und ihre Aufmerksamkeit gegenüber funktionalen Strategien zu erhöhen. Neben der Interaktionsdiagnostik bietet die Sprechstunde − die sich mit diesem Angebot in eine Reihe namhafter Kliniken einreiht − auch eine eingehende entwicklungspsychologische Diagnostik an, wie auch leitlinienmässige Diagnostik psychischer Störungen dieses Altersbereichs, Beziehungsdiagnostik, Erfassung der elterlichen Belastungen, Beratungen für Eltern oder andere Betreuungspersonen und ausgewählte, evidenzbasierte Therapien für Fragestellungen dieser Altersgruppe.

Die psychische Gesundheit und Resilienz stärken

Aus der Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie weiss man heute, dass es viele schützende Faktoren in der frühen Kindheit gibt, die gefördert und entfaltet werden können. Es bestehen auf der anderen Seite aber auch Risikofaktoren, deren Auswirkungen reduziert und manchmal vermieden werden können. Es gilt, die psychische Gesundheit und Resilienz des Kindes zu stärken. Die Grenzen zwischen mentaler oder psychischer Gesundheit und Krankheit sind fliessend. Das spiegelt sich auch in modernen Diagnosesystemen wider. Viele psychische Störungen werden heute als Dimensionen aufgefasst und nicht mehr als Kategorien. So können Fragestellungen zugeordnet werden wie: Ab wann hat ein Kind eine Angststörung? Wann wird das Trotzalter zur Störung des Sozialverhaltens? Wann ist das lebhafte Kind ein hyperaktives Kind mit ADHS?

Früh gegen Störungen intervenieren

Epidemiologische Studien weisen auf eine Prävalenz psychischer Störungen von 16-18 % bei Kindern im 2. - 5. Lebensjahr hin. Dabei entfallen ca. 10 % auf emotionale Störungen, vorwiegend Angststörungen, und etwas weniger auf verschiedene externalisierende Störungen. Gerade externalisierende Störungen zeigen häufig einen bis ins Erwachsenenalter persistierenden Verlauf. Auch Angststörungen, die früh beginnen, verlaufen unbehandelt häufig chronisch und es entwickeln sich vielfach weitere psychische Erkrankungen.

Das Ambulatorium Frühe Kindheit 0-5 bietet Eltern und Bezugspersonen mit Sorgen um ihr Kind die Möglichkeit, eine Rückmeldung zum Entwicklungsprofil und der Ausprägung der Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes zu erhalten. Ebenso wichtig ist die Erfassung der elterlichen Belastung. «Wenn Eltern an ihre Belastungsgrenzen stossen, wirkt sich das fast immer auf die ganze Familie aus», sagt Zulauf Logoz. Fragen zu vermuteten Autismusspektrumstörungen oder eine entsprechende Risikoeinschätzung würden in der Sprechstunde in enger Kooperation mit der Fachstelle Autismus bearbeitet. Bei eindeutiger Fragestellung werden diese Familien direkt an die Fachstelle Autismus verwiesen.

Kleine Veränderungen – grosse Wirkung

«Wir konnten unsere bisherigen Erfahrungen mit der neuen Sprechstunde bereits mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Teilen der Welt teilen und präsentierten einige Daten dazu auf dem Kongress der World Association for Infant Mental Health», berichten Kraemer und Zulauf Logoz. Der Vergleich mit anderen Gesellschaften und Kulturen sei eindrücklich. «Man kann sicher sagen, dass die Versorgung von so jungen Kindern in Zürich sehr gut ist, im Vergleich zu anderen Ländern sogar exzellent.» Der Anmeldegrund in diesem Altersbereich liege andernorts häufig im Bereich des Kinderschutzes. «Hier in Zürich haben wir solche Anmeldungen auch, sie machen aber nur einen kleinen Teil aus.» Neben diagnostischen Fragestellungen sei ein Grossteil der Anmeldungen im Moment von aufgeklärten und fürsorglichen Eltern, die vor allem über expansives Verhalten und Interaktionsstörungen ihrer Kinder berichten. Eine fachliche Beurteilung und Intervention sei in diesen Fällen enorm wichtig, vor allem vor dem Hintergrund, dass bereits kleine Nuancen an Veränderungen in der Beziehungsgestaltung grosse Unterschiede in der Entwicklung eines Kleinkindes machen können, so Kraemer. Bisher konnte das Team der Sprechstunde die Wartezeiten kurz halten.

Das Ambulatorium Frühe Kindheit 0-5 ist zusammen mit anderen ambulanten Sprechstunden der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie im – von der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde vorübergehend zur Verfügung gestellten − Pfarrhaus an der Neumünsterallee in Zürich eingezogen. Die Nachfrage nach Beratung ist anhaltend hoch, die Sprechstunde hat deshalb kürzlich eine weitere Verstärkung durch die Psychologin Alina van Steenhoven bekommen.

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