Peers in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Dasein, zuhören, stärken
Sie haben selbst erfahren, wie es ist, unter Depressionen, Borderline-Störung oder Suizidgedanken zu leiden: «Peers» werden in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie seit fünf Jahren eingesetzt - ihr Erfolg spricht für sich.
Die Peers, die in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie arbeiten, haben selbst eine psychische Krankheit erlebt, sind gestärkt daraus hervorgegangen und wollen anderen psychisch Kranken helfen, ihrem Beispiel zu folgen. «Peers haben nicht nur Zeit, um zuzuhören, sie wissen, wie der Psychiatriebetrieb funktioniert, und kennen die Situationen und Probleme, die entstehen können, wenn man nach einer Therapie wieder zurück in den Alltag finden muss», sagt Thomas Altenburger, Leiter Pflege und Sozialpädagogik. Altenburger ist verantwortlich für Peers an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und überzeugt vom «Recovery-Modell». Er stützt sich auf Studien über Recovery und den Einsatz von Peers und teilt die Sichtweise, die diesem Ansatz zugrunde liegt: Der Mensch wird mit seinen Herausforderungen und Schwächen, aber auch mit seinen Chancen, Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten wahrgenommen. «Wir wollen die Resilienz der Patientinnen und Patienten fördern, ihnen Hoffnung geben und auf ihre Lebensqualität - trotz psychischer Krankheit – abzielen. Deshalb arbeiten wir mit Peers zusammen und haben bisher nur gute Erfahrungen gemacht», bilanziert er. Auch das Feedback der Patientinnen und Patienten sei durchwegs positiv.
Wertvolles Erfahrungswissen
Seit fünf Jahren arbeiten Peers in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie; im Moment sind es zwei Personen, die im Akutbereich tätig sind. «Man kann unsere Peers auch als Expertinnen und Experten aus Erfahrung bezeichnen oder als Dialogmitarbeitende», sagt Altenburger. Allerdings müsse man auch bestimmte Grundbedingungen schaffen, so der Leiter Pflege. «Peers können nur dann gut in den Klinikalltag eingebunden werden, wenn das Team aus Ärztinnen und Ärzten und Pflegenden sie akzeptieren, mittragen und begleiten.» Die Führungskräfte auf der Station hätten massgeblichen Einfluss darauf, ob die Zusammenarbeit gelinge. Auch im Umgang mit der Erkrankung benötige der Peer Unterstützung, es könne nämlich auch vorkommen, dass die Konfrontation mit den psychischen Erkrankungen der Patientinnen und Patienten das eigene Gleichgewicht durcheinander bringe.
Fachpersonen fehle zuweilen das Erfahrungswissen, das für den Umgang mit Patientinnen und Patienten auf Augenhöhe wichtig wäre, sagt Altenburger. Ein Peer, der zum Beispiel mit psychotischen Erlebnissen auch ausserhalb einer Klinik gut leben kann, vermittelt vor allem eins: Hoffnung auf ein normales Leben. Und das mache die Arbeit von Ex-Patientinnen und -Patienten in der psychiatrischen Versorgung besonders wertvoll.
Gesundung und Bewältigung
An der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie werden ausschliesslich Personen als Peer angestellt, die eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Der Verein «Ex-In» bietet in der Deutschschweiz Fachausbildungen für Peers an. Diese findet über die Dauer von rund eineinhalb Jahren in zwölf Modulen à drei Tagen statt. Neben Selbststudium und Supervision ist auch ein mehrwöchiges Praktikum in einer psychiatrischen Institution vorgesehen. Geeignet seien Menschen, die nach einer seelischen Erschütterung ihre Geschichte kritisch zu reflektieren in der Lage seien, heisst es auf der Website des Vereins.
Altenburger selbst ist sehr zufrieden mit seinen Peers. «Ich schätze den Beitrag der Peers sehr und wünsche mir, dass wir in Zukunft mehr von ihnen in unseren Klinikalltag integrieren können.»