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Nutritional Psychiatry in Forschung und Klinik

Personen mit schweren psychischen Erkrankungen weisen ein erhöhtes Risiko für Adipositas und metabolische Folgeerkrankungen sowie eine reduzierte Lebensqualität und Lebenserwartung auf. Im Bereich der Ernährung scheinen massgeschneiderte, professionell begleitete und längerfristige Interventionen besonders hilfreich zu sein. Bezüglich konkreter Interventionen und Wirkungsmechanismen besteht jedoch grosser Forschungs- und Handlungsbedarf. Ein Team der Erwachsenenpsychiatrie und Psychotherapie befasst sich mit der Evidenzgrundlage und der Entwicklung von Unterstützungsangeboten als ergänzender Bestandteil des bestehenden psychiatrischen Therapieangebots.

Dr. sc. nat. Sonja Mötteli und PD Dr. med. Florian Hotzy, Co-Leitende Spezialsprechstunde Ernährungspsychiatrie

Dr. sc. nat. Sonja Mötteli und PD Dr. med. Florian Hotzy, Co-Leitende Spezialsprechstunde Ernährungspsychiatrie

Risikoverhalten frühzeitig erkennen

Die Ziele der Forschungsgruppe sind eng mit dem Bedarf und dem Nutzen für die Praxis verknüpft. Unsere eigene Forschung hat gezeigt, dass ein Grossteil der psychiatrischen Patientinnen und Patienten im stationären, tagesklinischen und ambulanten Behandlungssetting Ernährungsprobleme aufweist, die mit ihrer psychiatrischen Grunderkrankung in Zusammenhang stehen. So zeigen beispielsweise 50 % der Betroffenen einen BMI-Wert von über 25, 30 % tragen das Risiko einer Mangelernährung. In einer laufenden Studie wies die Mehrheit der ambulanten Teilnehmenden anhand des REAP-S-Instruments Verbesserungspotential bezüglich ihrer Ernährungsqualität auf.

Diese Ergebnisse sind gut vergleichbar mit internationalen Studien. Ungünstige Ernährungsgewohnheiten gehen oft mit einer Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands einher, wobei wir zeigen konnten, dass sich diese bei Symptomreduktion nicht automatisch verbessern. Trotz der Häufigkeit ungünstiger Ernährungsgewohnheiten misst die überwiegende Mehrheit der Betroffenen ihrem Ernährungsverhalten eine grosse Bedeutung zu und wünscht sich professionelle Unterstützung.

Das übergeordnete Ziel ist somit, psychiatrischen Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf oder ausgewiesenen Ernährungsproblemen und metabolischen Komorbiditäten frühzeitig eine Abklärung und Einleitung individueller und zweckmässiger Interventionsmassnahmen anzubieten, die auf die adäquate Behandlung von körperlichen Komorbiditäten, die Optimierung der psychopharmakologischen Behandlung und die Etablierung personalisierter Lebensstilmassnahmen abzielen. Vor diesem Hintergrund liegt ein Fokus der Forschungsgruppe darauf, die Rolle des Ernährungsverhaltens bei psychiatrischen Erkrankungen in Bezug auf psychologische (Verhaltensebene), biologische (Inflammation, Darm-Hirn-Achse) und pharmakologische (Nebenwirkungen / therapeutische Ansätze) Aspekte besser zu verstehen sowie Grundlagen für ein evidenzbasiertes Behandlungsangebot zu erarbeiten.

Partizipativ entwickelte Gruppen-Intervention

In eigenen Studien konnten wir aufzeigen, dass vor allem dysfunktionale Verhaltensmuster sowie schlechte Gewohnheiten und weniger das Ernährungswissen risikoreiche Ernährungsverhaltensweisen fördern und aufrecht erhalten. Dies mag auch erklären, weshalb eine rein wissensbasierte Ernährungsberatung bei den meisten Patientinnen und Patienten nicht ausreicht. Basierend auf Fokusgruppen-Diskussionen und Einzelinterviews mit Patientinnen und Patienten haben wir unter der Leitung von PD Dr. med. Florian Hotzy eine verhaltensorientierte «Add-On HEALTH»-Gruppenintervention für Patientinnen und Patienten der Tagesklinik entwickelt, die in acht wöchentlich stattfindenden Modulen gezielt und Manual-basiert eine kleinschrittige Veränderung von individuellen Verhaltensmustern einleiten soll. Die Evaluation dieser Gruppenintervention sowie die Untersuchung von Wirkungsmechanismen anhand von biologischen (zum Beispiel Mikrobiom, Blutanalysen), psychologischen (beispielsweise Symptomatik, Motivation, Selbstwirksamkeit) und verhaltensorientierten (wie Ernährungs-, Bewegungs- und Schlafverhalten) Parametern wird von der Stiftung zur Förderung von Psychiatrie und Psychotherapie und vom Fonds für wissenschaftliche Zwecke im Interesse der Heilung von psychischen Krankheiten finanziell unterstützt.

Neben dieser Hauptstudie partizipiert die Forschungsgruppe in weiteren Projekten rund um das Ernährungsverhalten und andere Lebensstilmassnahmen bei psychiatrischen Patientinnen und Patienten mit nationalen und internationalen Partnern.

Triangulation von Forschung, Praxis und Lehre

Nutritional Psychiatry ist ein noch junges und interdisziplinäres Forschungsgebiet mit grossem Potential. Obwohl bereits solide Evidenz für den bidirektionalen Zusammenhang von Ernährungsverhalten und mentaler Verfassung besteht, ist das Thema Ernährung im Alltag der psychiatrischen Behandlung noch wenig angekommen und es gibt bisher wenige Beispiele für konkrete Ernährungsinterventionen.

Um die Rolle der Ernährung bei psychischen Erkrankungen besser zu verstehen und praxistaugliche Unterstützungsangebote zu entwickeln, zu validieren und ein Bewusstsein für das Thema in der Praxis zu schaffen, ist aus unserer Sicht die Verknüpfung von Forschung und Praxis sowie auch der Lehre besonders relevant. Ab April 2025 planen wir, eine Spezialsprechstunde Ernährungspsychiatrie zu starten, die als ergänzendes Therapieangebot zur bestehenden psychiatrischen Behandlung dienen soll. Sie orientiert sich am bio-psycho-sozialen Gesundheitsmodell und nutzt unterschiedliche Therapiemodule, um die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen zu fördern. Auf die Assessmentphase mit der Problemidentifikation folgen Edukation und die Entwicklung eines personalisierten Massnahmenplans mit pharmakologischen und verhaltenstherapeutischen Interventionen. Die Sprechstunde wird ärztlich-psychologisch durch PD Dr. med. Florian Hotzy und Dr. sc. nat. Sonja Mötteli geleitet und arbeitet interdisziplinär mit dem internistischen Dienst sowie mit der Ernährungsberatung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und mit verschiedenen assoziierten Angeboten und Netzwerkpartnern wie zum Beispiel der Spitex und dem UniversitätsSpital Zürich zusammen.

Neben der wissenschaftlichen Evaluation einer verhaltenstherapeutischen Gruppenintervention und der Spezialsprechstunde Ernährungspsychiatrie sind Forschungsprojekte zu den Zusammenhängen von Ernährungsverhalten in der Kindheit und aktuellen Ernährungsgewohnheiten sowie Nahrungsmittelunverträglichkeiten und psychiatrischen Erkrankungen geplant. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Ernährungsverhalten von Schwangeren mit psychiatrischen Erkrankungen sowie auf der Früherkennung von Ernährungsproblemen in der Psychiatrie. Darüber hinaus soll die Wirksamkeit von Interventionen wie beispielsweise Kaltwasserbaden als Add-On-Gruppentherapie bei depressiven Patientinnen und Patienten unter der Projektleitung von Dr. med. Eileen Neumann untersucht werden.

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